19.10.2023 15:00
von Petra Basler
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Die S-Bahn OWL braucht eine jungsozialistische Perspektive!

Antragsbeschluss der OWL SPD Regionalkonferenz am 14.10.2023:

Antragssteller*in: Jusos OWL

Einleitung

Im Jahr 2021 veröffentlichte der Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) ein S-Bahn-Konzept für die Region OWL. Vorgestellt wurde ein überraschend gutes Konzept für die Weiterentwicklung des Nahverkehrs in OWL. Aktuell befindet sich dieses Konzept noch in der Diskussion und wurde durch sinnvolle Beiträge kleinen Veränderungen unterzogen. So ergibt sich auch für uns die Möglichkeit und die Notwendigkeit, uns in das Konzept einzubringen und jungsozialistische Verbesserungen zu erzielen.

Ausganglage

Die Region Ostwestfalen-Lippe wurde durch die Rationalisierungsmaßnahmen der Deutschen Bundesbahn schwer getroffen. Dadurch wurden Stellwerke am Abend nicht mehr besetzt und stattdessen sollten Busse mit unattraktiv langen Fahrzeiten die weggefallenden Züge ersetzen. Doch diese wurden aufgrund mangelnder Nachfrage eingestellt. So entstand eine Region, die teilweise fast vollständig vom öffentlichen Mobilitätsnetz abgekoppelt ist. Doch die Probleme liegen nicht nur im Schienenverkehr, sondern gerade auch in den anderen Verkehrsträgern. Es gibt in OWL ZOBs, die vom Bahnhof aus zu weitentfernt für den Anschlussbus liegen und es gibt Busse, die zwar einen Bahnhof anfahren, allerdings mit völlig unabgestimmten Fahrplänen, so entstehen in konkreten Fällen Übergangszeiten von 59 Minuten oder 44 Minuten.

Diese Konzeption schließt viele Menschen von einer gerechten Teilhabe an unserer Gesellschaft aus. Die Notwendigkeit ein Auto zu besitzen, ist in OWL elementare Grundvoraussetzung für die individuelle Mobilität und allen daraus resultierenden Lebenschancen. Für Senior*innen, für von Armut betroffene Menschen, aber eben auch für junge Menschen bedeutet dieses System systematische Ausgrenzung, Einsamkeit und Chancenlosigkeit. Ein S-Bahn-Konzept kann alle diese Probleme nicht lösen, dafür sind sie zu vielfältig, doch sie müssen mitgedacht werden, damit sie in Zukunft gelöst werden können. Dabei ist die S-Bahn OWL in sich ein extrem wichtiger Baustein.

Aktuelles Konzept

Das vorliegende Konzept bündelt bereits viele konzeptionelle Verbesserungen im Vergleich zum Status Quo. Auf Strecken wird die Taktfrequenz ausgebaut, Linien verlängert und teilweise Strecken reaktiviert. Insgesamt ergibt sich daraus bereits ein Konzept, welches vergleichsweise ambitioniert und durchdacht ist. Um ein paar Maßnahmen zu nennen: Die Verdichtung der Taktfrequenz Münster-Bielefeld, Streckenreaktivierungen bei Gütersloh und eine Einrichtung einer Direktverbindung Paderborn-Minden. Neben den vielen weiteren Maßnahmen gibt es mehrere Aspekte, die verstärkt ins Konzept eingearbeitet werden sollten. Nur so können Regionen aus der systematischen Abkopplung effektiv herausgeholt werden.

Strukturelle Probleme des öffentlichen Nahverkehrs

Der öffentliche Nahverkehr leidet unter mehreren strukturellen Problemen, die nicht nur den NWL in ihren Planungen beschränken, sondern den Nahverkehr auch strukturell gegenüber dem Individualverkehr benachteiligen. Grundsätzlich kann dabei zwischen zwei Problemfeldern unterschieden werden. Einerseits in die rechtlichen Planungsbedingungen und andererseits in die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel. Rechtliche Planungsbeschränkungen sind nicht nur der Umstand, dass bei Maßnahmen, in beispielweise Niedersachsen, nicht nur die örtlichen Akteur*innen überzeugt werden müssen, sondern auch eine gemeinsame Finanzierung gefunden werden muss. Dies kann zu erheblichen Problemen führen, besonders wenn auf der anderen Verhandlungsseite die finanziellen Mittel nicht bereitgestellt werden.

Doch es gibt Strecken, die noch weitaus problematischer zu planen und zu finanzieren sind. Der Streckenabschnitt zwischen Minden und Nienburg wird etwa als Hauptumleitung für den Güterverkehr genutzt und hat damit eine übergeordnete bundesweite Bedeutung. Der Güterverkehr führt dadurch nicht nur zu regelmäßigen Verspätungen auf der Linie des RE 78, sondern erschwert auch den Ausbau dieser Strecke. Denn zur Finanzierung dieses Ausbaus, dürfen nicht nur Mittel aufgewendet werden, die für den Nahverkehr bestimmt sind. Gleichzeitig müssen die Planungen zu den Zielnetzplanungen des Landes NRW und des Bundes passen, damit Fördergelder bewilligt werden. Soll die Verkehrswende geschafft werden, müssen wir unsere Visionen in den Planungen des Landes NRW und des Bundes platzieren und vor allem die finanziellen Mittel deutlich erhöhen, denn durch die Privatisierungen in dem Bereich der öffentlichen Daseinsfürsorge, tun sich Abgründe auf.

Baumaßnahmen sorgen nicht nur für ärgerliche Ausfälle in den Fahrplänen, sondern bedrohen als Kostenfallen den gesamten öffentlichen Personennahverkehr. Denn die Eisenbahnverkehrsunternehmen, die als gewinnorientierte Unternehmen arbeiten, müssen für die Kosten des Schienenersatzverkehrs aufkommen. So wird unter anderem die zunehmende wirtschaftliche Schieflage der Bahnunternehmen wie Abellio begründet. Die Eisenbahnverkehrsunternehmen fahren allerdings nur im Auftrag der Auftraggeber (NWL). Dadurch fordern die Eisenbahnverkehrsunternehmen immer häufiger eine Kostenbeteiligung der Auftraggeber, was die zur Verfügung stehenden Mittel für einen Ausbau weiter verringert. Wie wir sehen und gesehen haben, ist die Privatisierung des Schienenverkehrs mannigfaltig gescheitert. Nicht nur, weil unprofitable Strecken eingestellt wurden, die Infrastruktur auf Verschleiß gefahren wurde und heute Engpässe aufweist, sondern auch, weil privatorganisierte Eisenbahnverkehrsunternehmen nicht wirtschaftlich bestehen können.

Die jungsozialistische Antwort auf dieses historische Versagen, kann nur die vollständige Verstaatlichung des Transportwesens sein und ein Selbstverständnis, dass die Mobilität des Individuums als Menschenrecht anerkennt. Solange wir das Ziel nicht realpolitisch erreichen können, gebietet die Dringlichkeit der Klimakrise unkomplizierte Lösungen zu finden und notfalls auch leicht über zu Subventionieren. Angesichts des riesigen Investitionsstaus und der grundsätzlichen Sinnhaftigkeit eines öffentlichen Nahverkehrs, ist dies allerdings ein unwahrscheinliches Szenario. Wichtig ist, dass die Mehrheit der Subventionen den Bürger*innen direkt zugutekommt und im Gegensatz zu der Abwrackprämie nur zu einem kleineren Teil den Gesellschafter*innenn und Aktionär*innen zu fließt. Darüber hinaus könnten steuernde Elemente, wie eine Übergewinnsteuer eingesetzt werden. Wichtig ist, dass wir aufhören, im öffentlichen Verkehr zu knausern und anfangen mindestens die gleichen Maßstäbe wie beim Individualverkehr anzulegen.

Verbesserungsmaßnahmen

Interessanterweise gesteht der NWL selbst ein, weitere Maßnahmen vornehmen zu wollen, sieht den finanziellen Spielraum allerdings als zu begrenzt an, um weitere Schritte mit dem S-Bahn-Konzept OWL zu gehen. Der begrenzende Faktor ist also nicht die Wirtschaftlichkeit (davon abgesehen, dass das kein Kriterium sein sollte), sondern viel mehr die zur Verfügung gestellten Ressourcen. Mit dem S-Bahn-Konzept stehen aber die größten infrastrukturellen Veränderungen in unserer Region seit Jahrzehnten an. Das ist eine Jahrzehntchance. Deswegen sollte diese Region noch mutiger vorangehen, das Konzept ausbauen und die Jahrzehntchance in eine Jahrhundertchance zu verwandeln. Es geht darum notwendige Zukunftsinvestitionen vorzunehmen und nicht erneut in die Zukunft zu verschieben und gleichzeitig auf das Wohlwollen einer Regierung in 30 Jahren zu setzen. Deswegen sollte das S-Bahn-Konzept unter anderem um folgende Punkte ergänzt werden:

Für den Kreis Minden-Lübbecke droht sich an, dass die Fehlplanungen der letzten Jahrzehnte fortgesetzt werden. Mit dem Bielefelder Gesetz wurden die beiden Kreise Lübbecke und Minden 1973 zum Kreis Minden-Lübbecke fusioniert. Diese nun schon fast 50 Jahre zurückliegende Teilung, wurde verkehrstechnisch nie überwunden. So schließt sich der Altkreis Lübbecke mit der Ravensberger Bahn (RB 71) an das Verkehrszentrum Bielefeld an und etwa nicht an das wesentlich näherliegende Verkehrszentrum im eigenen Kreis, nämlich Minden. Dadurch resultiert, dass gewöhnlich ist, dass sich z.B. der Altkreis Lübbecke zum Kreis Herford oder sogar bis nach Osnabrück orientiert. Dazu kommt, dass der Altkreis Lübbecke eine unglaublich schlechte Verkehrsanbindung hat. Die Bahnstrecke der RB 71 endet in Rahden als Sackgasse ohne Anbindungsmöglichkeit, am Rande der Norddeutschen Tiefebene.

Dabei wäre ein attraktiver Bahnanschluss für diese ländliche Region besonders wichtig, damit den Menschen ähnliche Lebensbedingungen geboten werden können. Erschwerend kommt hinzu, dass kein passabler Bustransport organisiert wird und angesichts der weiten Strecken grundsätzlich nicht als gleichwertig bewertet werden kann. Es gibt mehrere Maßnahmen, die vorgenommen werden sollten, um diese Probleme zu lindern und teilweise gewinnbringend für ganz OWL wären. Gerade in dieser Region gibt es großes Potential an vergleichsweise einfach umsetzbaren Verbesserungen im Schienenverkehr. Diese bei solch einem Projekt nicht zu beachten, ist fahrlässig und stellen nur die Probleme der Zukunft dar. Ein prädestiniertes Beispiel ist die Bahnstrecke von Rahden nach Uchte. Da hier die Gleise noch erhalten sind, könnte besonders für den ländlichen Raum eine erhebliche Verbesserung bei geringen Kosten erreicht werden.

Wichtig ist, dass der öffentliche Nahverkehr alle Menschen mitnimmt, leider ist dies aufgrund der begrenzten Ressourcen meistens nur eingeschränkt möglich. Aber genau deswegen müssen wir auch solche Strecken reaktivieren! Das gebietet nicht nur die Rationalität, sondern auch unsere sozialistischen Ideale. Entlang der Strecke sollten fast alle ehemaligen Haltepunkte angefahren werden, auch ein Bahnhof auf dem Land ist für das umliegende Gebiet von Bedeutung, wenn dieser aufgrund des fehlenden Stadtverkehrs schneller erreicht werden kann. Gerade die Nutzung von sogenannten Bedarfshalten, könnte sich hier anbieten und die Attraktivität der Strecke erhöhen, da so ein Ausgleich zwischen Fahrtzeit und ländlichem Raum gefunden wird. Solch eine Haltestelle wurde auf der RB 71 eingerichtet und hält in der Station „Mesch Neue Mühle“.

Unbedingt sollte auch die Reaktivierung des Sulinger Kreuzes beachtet werden. Erst kürzlich wurde eine positive Machbarkeitsstudie für die Strecke Rahden-Bassum vorgestellt. Diese Reaktivierung könnte Konsequenzen für ganz OWL haben, da dadurch wieder eine Direktverbindung zwischen Bielefeld und Bremen möglich werden würde. Aktuell läuft auch noch eine Untersuchung, ob die Reaktivierung der Strecke Diepholz-Nienburg attraktiv ist, dies würde zur vollständigen Reaktivierung des Sulinger Kreuzes führen. Zwar liegt die Reaktivierung des Sulinger Kreuzes im Aufgabenbereich des Landes Niedersachsens, aber wir als Jusos, sowie die Verkehrsverbünde Westfalens, müssen diese Bestrebungen unterstützen und vorrausschauend planen, so dass Komplikationen vermieden werden. Das heißt auch, dass wir bereits jetzt mit den Planungen anfangen und auf alle Eventualitäten vorbereitet sind. Je nach Umfang der Reaktivierung bieten sich verschiedene Verkehrskonzepte an. So wäre es z.B. möglich in Rahden ein Teil der S-Bahn als Flügelzug-Konzept nach Uchte und den anderen Teil nach Bassum oder Diepholz fahren zu lassen.

Weitere Verbesserungen in der Region könnten erzielt werden, wenn eine Ost-West-Verbindung eingerichtet wird. Dazu wären im Wesentlichen zwei Infrastrukturprojekte nötig: Die Teilreaktivierung der Wittlager Kreisbahn und der Strecke Lübbecke-Minden. Ein Teil der Strecke Lübbecke-Minden, nämlich die Strecke Hille-Minden, wird im S-Bahn-Konzept bereits als mögliche Reaktivierungsstrecke geführt, wenn auch nicht weiter thematisiert. Auf der Strecke von Hille nach Lübbecke, wurden leider historische Fehler begangen und die Gleise zum Großteil entfernt. Nichtsdestotrotz wäre hier ein Ausbau möglich und auch sinnvoll, damit mit der Reaktivierung der Wittlager Kreisbahn, eine attraktive Verbindung hergestellt werden kann. Glücklicherweise könnte hier auf bestehende Gleise zurückgegriffen werden, lediglich der Gleisanschluss an den Bahnhof Bad Holzhausen wurde entfernt. Dadurch würde die Stadt Preußisch Oldendorf und die Gemeinde Bad Essen wieder einen Bahnanschluss bekommen. Am Ende könnte in Bohmte eine weitere Verbindung nach Osnabrück entstehen, per Flügelzug-Konzept vielleicht sogar bis nach Diepholz. Diese Strecke würde die Lebensrealitäten der Menschen im Kreis Minden-Lübbecke optimal widerspiegeln, da diese nicht nur gut an ihre Zentren angeschlossen sind, sondern auch weil erstmalig eine vernünftige Verbindung nach Minden für den Altkreis Lübbecke besteht und umgekehrt.

Ähnliche Reaktivierungsvorhaben kann es in ganz OWL geben, die bisher nicht im S-Bahn-Konzept repräsentiert sind. Beispielsweise die Reaktivierung der Almetalbahn von Paderborn über Büren nach Brilon. Zwar liegen hier die Herausforderungen etwas höher, da die Gleise bis Büren abgebaut wurden und sich nach Büren im schlechten Zustand befinden, allerdings sind hier die möglichen Gewinne für die Öffentlichkeit auch besonders hoch. Entlang der Strecke könnten mehrere kleinere Gemeinden angeschlossen werden, doch allein in Büren würden wieder 20.000 Menschen einen Bahnanschluss bekommen. Bereits in einem Gutachten aus dem Jahr 2010 wurde die volkswirtschaftliche Sinnhaftigkeit dieses Projekts festgestellt. Damals wurden die Reaktivierungskosten auf 30.000.000€ geschätzt. Setzt man dies in den Kontrast zu den Kosten für einen Kilometer Autobahn, als Faustregeln gelten 10.000.000€, erscheint die Summe als äußerst gering. Inzwischen nimmt die Reaktivierung dieser Strecke wieder Fahrt auf, nachdem sie durch den Verkehrsverbund Paderborn-Höxter im Jahr 2011 abgelehnt wurde. Inzwischen wurden sogar Betriebsvarianten vorgestellt. Enthalten ist eine stündliche Verbindung von Paderborn nach Marburg. Warum die Reaktivierung dieser Strecke bisher keinen Eingang in das S-Bahn-Konzept OWL gefunden hat, ist völlig unverständlich.

Eine weitere Möglichkeit eine Vielzahl an Menschen wieder an das Bahnnetz anzuschließen, gebietet sich von Warstein aus. Es gibt mehrere Möglichkeiten die Züge fahren zu lassen, doch bei einem Flügelzug-Konzept (Über Lippstadt und Beckum) könnte in Beckum-Neubeckum ein Teil des Zuges nach Bielefeld fahren und der andere Teil könnte die Bahnlinie über Sendenhorst nach Münster reaktivieren. So könnte mehreren Zehntausend Menschen wieder ein Bahnanschluss geboten werden. Natürlich sind auch einfachere Streckenführungen sinnvoll, zum Beispiel, wenn in Beckum-Neubeckum kein Flügelzug-Konzept angewendet wird, sondern einfach nur zum Umsteigen genutzt wird. Ähnlich wie die Strecke Hille-Minden werden diese Reaktivierungsmöglichkeiten zwar geführt, allerdings für das S-Bahn-Konzept OWL nicht weiter behandelt. Im Rahmen der Strecke Hille-Minden wurde darauf hingewiesen, dass diese auch solitär funktioniert und nachträglich integriert werden könnte. Darauf sollten wir allerdings nicht setzen, sondern auf ein Konzept hinarbeiten, dass aus einem Guss ist, damit auch äußerst zeitnah die Arbeiten begonnen werden können. Eine weitere interessante Möglichkeit zur Streckenreaktivierung birgt eine Direktverbindung zwischen Rheda-Wiedenbrück und Paderborn. Zwar wurde auf den ehemaligen Gleisen ein Fahrradweg errichtet, doch dies sollte einer Reaktivierung nicht im Wege stehen. Denn allein in den Städten Rietberg und Delbrück würden wieder 60.000 Menschen einen Bahnanschluss erhalten.

Im Gegensatz zum aktuellen Konzept sollte verstärkt auf die Errichtung von neuen Haltepunkten gesetzt werden. Anbieten würden sich zum Beispiel Gestringen und Veltheim bzw. Eisbergen. Für solch ländliche Streckenabschnitte könnte durch die bereits erwähnten Bedarfshalte ein Kompromiss zwischen Attraktivität und Anschlussfähigkeit an den ländlichen Raum geschaffen werden. Außerdem sollten verstärkt Haltepunkte gefunden werden, die auch für Pendler*innen interessant sind. Der Verkehrsclub Deutschland spricht sich deswegen auch, neben den Haltepunkten Gestringen und Eisbergen, für einen Haltepunkt „Rheda Barlach-Schule“ aus. In unmittelbarer Nähe befinden sich größere Schulkomplexe aus Gymnasium, Gesamtschule und Grundschule. Doch auch für Arbeiter*innen könnten durch neue Haltepunkte attraktive Pendler*innenstrecken geschaffen werden. In Bieren-Rödinghausen hält die RE 71 direkt am Werk eines Küchenherstellers. Es könnten weitere solcher Haltepunkte eingerichtet werden, wie zum Beispiel in Dielingen beim Werk eines Automobilzulieferers, wo immerhin ungefähr 1900 Arbeiter*innen beschäftigt sind.

Der NWL musste einräumen, dass die gewährten ÖPNV-Pauschalen aktuell nicht ausreichen, um auf den bestehenden Strecken eine Fahrzeitenausweitung vorzunehmen. Dabei wären längere Fahrzeiten bereits jetzt sinnvoll. Deswegen sollten wir darauf hinwirken, dass bereits jetzt, doch vor allem im Zielkonzept, Betriebszeiten verankert sind, die zu den Lebensrealitäten der Menschen passen. Aktuell fährt der letzte Zug der RB 71 unter der Woche um 21:50 Uhr in Bielefeld ab. Wenn wir daran denken, dass sich gerade junge Menschen auch gerne mal über 22:00 Uhr hinaus treffen, erschließt sich sofort die Notwendigkeit von längeren Betriebszeiten. Dabei ist der Weg zum Bahnhof und eventuelles Umsteigen, wenn man sich weiterentfernt getroffen hat, noch nicht einberechnet. Das Sozialleben von Menschen, darf sich nicht an den Notwendigkeiten des ÖPNVs orientieren, das manifestiert nur die bestehende Ungleichheit. Gleichzeitig würde das S-Bahn-Konzept in unnötiger Weise torpediert werden, wenn die Betriebszeiten einer S-Bahn, denen der aktuellen Regionalbahn gleicht.

Attraktive Alternativen bis zur Vollendung des Zielkonzepts

Die Umsetzung eines solchen Konzepts ist ein langwieriger Prozess. Gleichzeitig sind die Probleme so groß, dass wir nicht bis zur Vollendung warten können. Wir müssen die Lebensrealitäten der Menschen bereits jetzt verbessern und die Verkehrswende einläuten. Dass der Neoliberalismus gescheitert ist, ist uns bewusst. Nun müssen wir mit einem sozialistischen Programm den Menschen wieder zeigen, was der Staat in der öffentlichen Daseinsfürsorge leisten kann und muss. Die Planung von Schnellbuslinien liegt nicht im Aufgabenbereich des NWLs, es ist unsere Aufgabe in den Kommunen Verbesserungen durchzusetzen. Doch da erfahrungsgemäß von allen politischen Akteur*innen stets Verbesserung gelobt wird, ohne dass die Versprechen gehalten werden, müssen wir gegebenenfalls das Problem aus der kommunalen Verantwortung heben. Das Land NRW bzw. eine vertretende Stelle könnte wichtige Schnellbuslinien festlegen. So wären alle kleineren Orte in NRW an ihre jeweiligen Zentren und deren Bahnhöfe angeschlossen. Damit würde nicht nur der Ausbau überbrückt werden, sondern es wäre eine sinnvolle Ergänzung des S-Bahn-Konzepts, um nahezu 100% der nordrhein-westfälischen (ostwestfälischen) Bevölkerung an das Bahnnetz anzuschließen. Durch die Finanzierung aus Landesmitteln wäre der wohl größte Faktor, den die Kommunen aktuell von einem vernünftigen Schnellbussystem abhält, aus der Welt geschaffen.

Konsequenzen für die Landes- und Bundespolitik

Insgesamt liegt ein ambitioniertes Konzept vor, es ist Aufgabe des Landes NRW und der Bundesregierung, dieses umzusetzen und nicht gegen andere Infrastrukturmaßnahmen auszuspielen. Das heißt auch umfangreiche Geldmittel zu bewilligen. Gleichzeitig muss überregional die Bedeutung von diesem und anderen Infrastrukturprojekten anerkannt werden, damit diese auch endlich zeitnah umgesetzt werden können. Eine Zielsetzung von 2040 ist völlig unzureichend. Wenn man bedenkt, dass man in 9 Jahren aus der Kohleverstromung aussteigen kann und muss, muss es möglich sein in 8 Jahren ein paar Gleise zu ertüchtigen und neue Waggons zu kaufen! Bis 2030 soll das S-Bahn-Konzept OWL umgesetzt sein. Die Dringlichkeit solcher Maßnahmen resultiert aus der klimapolitischen Notwendigkeit. Der Verkehrssektor hat in Deutschland bisher kaum zur Reduktion des Ausstoßes an Treibhausgasen mitgewirkt, weswegen gerade hier Reduktionspotential besteht und dringend ausgeschöpft werden sollte.

Zusammengefasst fordern wir:

Die Jusos unterstützen das S-Bahn-Konzept OWL, fordern aber eine Erweiterung um folgende Punkte:

  • Die Reaktivierung alter und stillgelegter Strecken im ländlichen Raum, insbesondere um den Kreis Minden-Lübbecke, die Almetalbahn, die Strecke Münster-Sendenhorst sowie Rietberg-Delbrück.
  • Etablierung von zusätzlichen Haltepunkten unter besonderer Berücksichtigung von Bedarfshalten und Haltepunkten für Pendler*innen
  • Umfangreiche Ausweitung der Fahrzeiten und Taktung.

Um diese Ziele zu erreichen, müssen die Jusos und die SPD darauf hinwirken, ihre Forderungen in den Zielplanungen des Landes NRW und des Bundes zu platzieren. Dies bedeutet auch für äußerst umfangreiche Geldmittel zu sorgen, damit gemeinwohldienende Infrastrukturprojekte nicht gegeneinander ausgespielt werden und realisiert werden können. So wollen wir auch durchsetzen, dass das S-Bahn-Konzept bis 2030 umgesetzt wird. Für uns gebietet das die klimapolitische Notwendigkeit. In der Zwischenzeit soll vom Land NRW aus ein dauerhaftes Schnellbusangebot aufgebaut werden, damit nahezu alle Menschen an ihre Zentren und Bahnhöfe angeschlossen sind.

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