Antragsbeschluss der OWL SPD Regionalkonferenz am 14.10.2023:
Antragssteller*in: Jusos OWL
Die SPD ist eine Partei mit dem Anspruch zum feministischen Handeln und der Gleichberechtigung aller Geschlechter. Dennoch herrscht in unseren Strukturen das Problem, dass die Sensibilität gegenüber dem Thema fehlt und vor allem Genossinnen nicht ernst genommen werden, wenn sie auf diese Aspekte hinweisen. So kann es sogar sein, dass es als lästig und störend angesehen wird, wenn auf Missstände im Bereich Feminismus hingewiesen wird. Dabei ist es wichtig und entscheidend für politische Debatten, dass auch FINTA (Frauen, Inter-, Nichtbinäre, trans- und Agender-Personen) sich beteiligen können und gehört werden. Dennoch sind Diskussionen oft durch eine gewisse Männerdominanz geprägt und der Anteil an FINTA überschaubar. Statt darauf zu warten, dass sich etwas ändert, sollte der Wandel hin zu einer feministischen bzw. gleichberechtigten Politikkultur angestoßen und ausgebaut werden. Daher ist auch die SPD Ostwestfalen-Lippe mit allen Kreisverbänden und dem Unterbezirk, aber gerade auch der SPD-Regionalvorstand dazu aufgefordert, sich aktiv an diesem Prozess zu beteiligen.
Wir sind unterrepräsentiert: In Schrift, Sprache und Diskussion
Wörter beeinflussen unser Denken und Handeln. Daher ist es entscheidend auf eine geschlechtergerechte Sprache zu achten, die alle miteinschließt. Ebenso kann es bereits empowern FINTA-Vorbilder in der Partei zu schaffen, indem mehr Raum für Redeanteile von FINTA geschaffen werden. In den meisten Debatten haben nämlich immer noch Männer den größten Redeanteil. Als FINTA ist es teils unmöglich sich an Debatten zu beteiligen, da sie unterbrochen werden oder gar nicht erst zu Wort kommen. Gerade in politischen Debatten, die auch oft mal emotional sind, ist ein respektvoller Umgang entscheidend. Wenn FINTA jedoch verniedlicht werden, ihnen abgesprochen wird, Ahnung zu haben oder herabgewürdigt werden, werden diese Personen klein gemacht und ihr Beitrag an der Diskussion aberkannt. Das führt zu einem Unwohlsein und wohlmöglich sogar zum Meiden von Sitzungen. Daher muss eine Debattenkultur angestrebt werden, in der sich alle wohlfühlen, jedem Respekt entgegengebracht wird und alle sich dafür einsetzen, dass es so ist.
Daher fordern wir:
- Bei Diskussionen und im Schriftverkehr muss auf geschlechtergerechte Sprache geachtet werden. Das schließt auch Texte, die auf Social Media gepostet werden, ein.
- Gespräche über reproduzierten und internalisierten Sexismus müssen zugelassen und ernstgenommen werden. Dabei gilt es zu zuhören und das eigene Handeln zu reflektieren.
- Bei Debatten ist es entscheidend den Raum für verschiedene Perspektiven zu geben. Daher soll auf allen Ebenen eine quotierte Redeliste eingeführt werden.
- FINTA zuzuhören ist entscheidend. Daher dürfen Grußwörter nicht nur von Männern kommen. Auf Veranstaltungen und gerade auf der Regionalkonferenz soll darauf geachtet werden, dass nicht nur Männer zu einem Grußwort eingeladen werden.
- Es kann sich nur etwas an der Debattenkultur ändern, wenn auf Probleme hingewiesen wird. Daher sollen Feedbackboxen nach Veranstaltungen die Möglichkeit dafür geben, auf Missstände aufmerksam zu machen. Nur wenn Probleme auch bekannt sind, lässt sich etwas ändern.
- Alle sind dafür verantwortlich, darauf aufmerksam zu machen, wenn sexistisches Verhalten in einer Debatte auffällt.
- Es soll geprüft werden, ob eine Pflichtinformationsveranstaltung für neue Vorstände möglich ist, die zu einem sensibilisierten und professionellen Umgang in Sitzungen in Bezug auf Geschlechtergerechtigkeit beitragen. Außerdem können solche Veranstaltungen dabei helfen, mit schwerwiegenderen Themen, wie Fälle von Belästigung im eigenen Verband, entsprechend umgehen zu können.
Information ist Macht: Vernetzung jenseits des Männer-Stammtisches
In einer Partei ist Netzwerken ein erforderlicher Bestandteil. Themen von FINTA gewinnen an Kraft, wenn sie diese nicht alleine angehen oder einbringen müssen. Daher ist es wichtig, dass gerade die Themen und Perspektiven derjenigen nach vorne gebracht werden und ein Bewusstsein schaffen, deren Stimmen derzeit noch nicht so stark sind. Aber auch Ämter und Positionen, werden oft durch Empfehlungen oder Empowerment anderer Genoss*innen vorgeschlagen und besetzt. So ist es hinderlich, wenn Ortsvereine häufig reine Herrenrunden sind. Während also eine normale Ortsvereinssitzung bereits als Vernetzung zwischen Männern funktioniert, sind es oft FINTA die keinen Anschluss finden.
Daher fordern wir:
- Vernetzung ist ein entscheidendes Instrument, um FINTA die Möglichkeit zum Austausch und gegenseitiger Unterstützung zu geben. Daher benötigen wir niedrigschwellige Angebote für FINTA-Netzwerke sowohl auf Kreis/Unterbezirksebene, als auch über die Kreisgrenzen hinweg. Wichtig ist dabei vor allem, dass sich dieses Angebot an alle Altersgruppen richtet.
- Ein Informationsheft (print und digital) soll erstellt werden, in dem Ansprechpartner*innen für Gleichstellung in OWL klar gekennzeichnet sind. Zudem sollen in diesem Heft Informationen zum Thema Gleichstellung aufgeführt werden, zum Beispiel zum Thema Quotierungen von Delegationen etc.
- Wir fordern Transparenz: Viele Entscheidungen werden immer noch im Hinterzimmer getroffen oder durch die Männerklüngelrunde. So kann es nicht weitergehen. Entscheidungen müssen immer klar nachvollziehbar sein. Denn: Entscheidungen, die nicht begründet werden können, sorgen für Unverständnis (und das nicht nur bei FINTA).
- Die feministische Viertelstunde: Bei den Jusos wird auf größeren Veranstaltungen feministischen Themen immer in Form der feministischen Viertelstunde Platz gegeben. Diese feministische Viertelstunde soll es auch auf Veranstaltungen der SPD geben, um häufiger und mit allen Mitglieder über feministische Themen zu diskutieren.
- Bildungsarbeit: Es braucht mehr feministische Bildungsarbeit in der SPD. Deshalb sollen vermehrt Seminare mit feministischen Themen angeboten werden (zum Beispiel wie FINTA in OV-Strukturen eingebunden werden können oder wie Sitzungen gleichberechtigt geführt werden können). Diese Seminare sollen sich an alle Mitglieder richten, nicht nur an FINTA.
- Mentorinnen: Gerade neuen FINTA fällt es schwer in der Partei Anschluss zu finden, vor allem wenn es im eigenen Ortsverein keine aktiven FINTA gibt. Daher soll ein Mentorinnen-System aufgebaut werden. Interessierten FINTA soll eine Mentorin vermittelt werden, damit FINTA leichter Anschluss finden.
- Es soll eine allgemeine Überprüfung der Strukturen und Inhalte stattfinden, bei der überprüft werden soll, wo es mehr Möglichkeiten zum FINTA-Empowerment gibt.
Wir sind qualifiziert: FINTA für Mandate
FINTA gehört die Hälfte der Macht, trotzdem sind in keinem Parlament 50% der Mandate weiblich besetzt. Auch wenn die Listen inzwischen quotiert besetzt werden, so werden die Direktmandate auch hier in OWL noch längst nicht quotiert aufgestellt. Das ist nicht feministisch und auch kein zukunftsorientiertes Handeln.
Selbst wenn FINTA sich doch dazu entscheiden eine Kandidatur anzustreben, dann werden ihnen oftmals Steine in den Weg gelegt und Selbstzweifel gesäht. “Bist du dir da sicher?”, “Schaffst du das mit deiner Familie überhaupt?”, “Aber der andere Genosse ist doch schon viel länger dabei.” In Männer-Klüngelrunden wird über FINTA-Kandidaturen hergezogen, wobei die Realität zeigt, dass gerade diese Kandidaturen dringend benötigt werden. Letztendlich wird es doch ein Mann. Daher stellen sich viele FINTA überhaupt gar nicht auf oder ziehen ihre Kandidatur zurück, sobald ein Mann seine ankündigt – weil sie wissen, dass sie von Männern nicht gewählt werden. Denn auch die vorgeschriebene Quotierung für Wahlkonferenzen wird vielerorts nicht eingehalten.
Daher fordern wir:
- Empowerment Strukturen schaffen: FINTA können Mandate. Daher muss schon frühzeitig vor Wahlen gezielt auf FINTA zugegangen werden, um sie für Kandidaturen stark zu machen.
- Doppelbelastung anerkennen: Der Workload von FINTA wird oft unterschätzt. Während Männer nur in gewissen Teilen der SPD-Strukturen aktiv sein müssen, werden FINTA oft dazu gedrängt, Postenanhäufung zu betreiben, nur damit die Quote eingehalten wird. Diese Doppelt- bis Mehrfachbelastung wird oft nicht gesehen und dann negativ angerechnet. Gleichzeitig wird dieser Workload oft auch nicht sichtbar gemacht. So sind es dann oft die Männer, die in die Öffentlichkeit treten.
- Die Vernetzung von Mandatsträgerinnen und Funktionärinnen soll gefördert werden.
- Die Quote ist keine Bitte, sondern Pflicht: Quotierte SPD-Delegationen sind in den Parteistatuten festgeschrieben, werden jedoch auf vielen Konferenzen weder geprüft noch eingehalten, geschweige denn sanktioniert. Auf allen Konferenzen muss die Quote der Delegation geprüft werden und schon im Vorfeld bei den gemeldeten Delegationen auf Quotenbrüche aufmerksam gemacht werden. Wenn die Quote nicht eingehalten wird, so muss dies Konsequenzen nach sich ziehen.
- Mandate quotiert besetzen: Rechtlich ist es schwierig eine Quote für Direktmandate festzulegen. Dennoch sollten wir es als Pflicht sehen, Direktmandate möglichst quotiert zu besetzen, sowohl bei Kommunal-, Landes-, als auch Bundestagswahlen.
- Es soll eine paritätische Besetzung von Vorsitzen (also Doppelspitzen) geprüft werden. Die Doppelspitze ist kein Allheilmittel, kann jedoch an einigen Stellen sinnvoll sein.
Wir fordern Sicherheit: Safer Spaces in der SPD OWL
Übergriffigkeit ist in der Partei kein Einzelfall. Jede Person, die innerhalb der Parteistrukturen Belästigung erfahren musste, ist Eine zu viel und sollte uns zum Denken, aber auch zum Handeln anregen. Auch wenn das Thema schwierig ist und große Sensibilität erfordert, kann schweigen und das Silencen von Betroffenen keine Lösung sein. Wir müssen uns dem Problem bewusstwerden und schleunigst dafür sorgen, dass diesem entgegengewirkt wird.
Daher fordern wir:
- Ein Awareness-Team sowohl in den Kreisverbänden/Unterbezirk zu etablieren, als auch im SPD-Regionalvorstand. Wenn Verantwortlichkeiten geklärt sind, ist es für Betroffene einfacher, sich Hilfe zu holen.
- Belästigungen und Grenzüberschreitungen dürfen in unserem Verband keinen Platz finden. Daher muss ein solches Verhalten auch mit Konsequenzen oder sogar harten Sanktionen belegt werden.
Wir sind alle dafür verantwortlich, dass wir ein respektvolles Miteinander schaffen. Wir sind alle dafür verantwortlich, dass unser Verband aus unterschiedlichsten Personen und Perspektiven besteht. Daher ist es notwendig und unsere Pflicht, dass wir Strukturen schaffen, die auch für FINTA geeignet sind. Um unser Ziel fest im Blick zu haben und Transparenz über die Entwicklung zu geben, soll es einen feministischen Rechenschaftsbericht bei Konferenzen, Parteitagen und Mitgliederversammlung geben über die hier vorgestellten Forderungen. Lasst uns eines bewusst werden: Wir sind eine feministische Partei und deswegen lasst uns auch so handeln!